„Nenn mich Hexe“

sagt sie. Und ich sag' nichts, setze mich vor meine Bücher und studier'. Über sie. Mit ihr. Für mich. Für dich? Es wundert mich nicht mehr, dass sie zu mir spricht und ich weiß: Die Botschaft, die sie für mich bereithält, ist eine Erinnerung. Und die ist wesentlich.

„Nenn mich Hexe“ sagt sie. „Oder nenn mich wie du willst. Beifuß zum Beispiel oder Wermut, je nachdem welche ich gerade bin. Nenn mich Besenkraut, so wie die Alten, oder Beinweid, oder bleiben wir bei Artemisia. Mir gefällt die Anlehnung an die Göttin Artemis und die Entsprechungen, die uns so ähnlich scheinen lassen. Man sagt mir nach, dass die Gestalt meiner Blätter an ihr Geweih erinnert und meine silbrig glänzende Blattunterseite eine Widerspiegelung ihrer Mondverbundenheit ist. Mich kannst du allerdings nicht nur zum entsprechenden Mondstand verwenden. Der ein oder andere Zauber, den du mit mir verstärkst, wirkt auch, wenn dieser nicht zu sehen ist. Als Schutzkraut kennt man mich und wahrlich kann ich Räume schützen und auch dich.“

„Weißt du, Pflanzenartemis, es ist wunderbar, dass du gerade jetzt auftauchst. In letzter Zeit häufen sich Geschichten übers Träumen und ich hab gelesen, dass du auch diese Prozesse wirksam unterstützt.“

„Wie gesagt, ich schütze Räume und auch dich. Probier doch aus, ob ich für dich auch in der Traumwelt wirke.“

„Das werde ich! Am besten wäre es, ich leg dich unters Kissen.“

„Gute Wahl. Solange du nicht allergisch auf mich reagierst.“

„Ja, das wäre hinderlich. Vielleicht pack ich dich doch besser in einen Beutel und schnüre ihn zu. Ja, das mach ich. Und weißt du was, am besten wäre es, ich pack in diesen Beutel auch noch die passende Intention für mich. Vielleicht noch eine Münze oder einen funkelnden Stein, falls ein Hüter meine Träume unterbricht und zum Weitergehen ein Geschenk von Nöten ist.“

„Mir gefällt was du sprichst.“

„Wie du sagst, du schützt Räume und mich. Und in geschützten Räumen können Wissen und Weisheit gleichsam wirken und es entsteht, was hilfreich und dienlich ist.“

„Schön gedacht!“

„Ich mach mich mal ans Werk und hole Zwirn und Nadel, Stoff und Stein und etwas zu schreiben, denn die Intention will wohl überlegt und aufgeschrieben sein, bevor sie erst in den Beutel wandert und mich dann auf meiner Traumreise begleitet.“

„Ich wünsch dir Glück, meine Liebe. Meinen Anteil werde ich tun, dich zu begleiten.“

Und ich bereite den Raum und feile an meinem Wunsch und es kristallisiert sich eine Intention und der Beutel gestaltet sich und der Raum schließt sich und was mein Wirken in der Traumwelt ergibt zeigt sich zu späterer Stunde. Wenn du willst, berichte ich. Wiewohl, das werd ich sowieso, denn im Grunde schreib ich hier ja größtenteils für mich. Auch wenn es dich hier und dort trifft.